Alexander Sollee
Um den weiteren Verlauf der Befestigungsmauer der Unterstadt nach Süden hin zu klären, wurden 2017 geophysikalische Untersuchungen auf einem Feld südlich der Bahngleise durchgeführt. Diese erbrachten die Erkenntnis, dass sich das antike Stadtgebiet noch weiter nach Süden erstreckte, als bis dahin angenommen worden war. Das Vorhandensein dieses neuen Siedlungsteils (sog. »Südliche Unterstadt«) legte zudem den Schluss nahe, dass der sich südwestlich an den Sirkeli Höyük anschließende Misis-Ausläufer des Bekçi Kulubesi ebenfalls zur Siedlung gehört hatte (Abb. 1). Dieser Felssporn gliedert sich in drei Kuppen (Nord, West und Süd), die durch kleine Geländeeinschnitte voneinander getrennt sind. Allerdings steht nur die nördliche Kuppe für archäologische Forschungen zur Verfügung. Die übrigen Teilbereiche des Bekçi Kulubesi werden als moderne Steinbrüche genutzt und sind daher akut bedroht.
Die bei ersten Sichtungen des Bekçi Kulubesi beobachteten Scherben und Architekturreste bestätigten die durch die geophysikalische Prospektion geweckte Vermutung. Die antike Stadt verfügte wohl nicht nur über eine zweigeteilte Zitadelle und eine Unterstadt, sondern auch über eine Oberstadt auf dem Bekçi Kulubesi. Zuvor war dieser Felssporn in erster Linie für die dort befindlichen Felsgrüfte bekannt gewesen. B. Hrouda hatte diese bereits beschrieben und das Museum Adana hatte hier 2006 Rettungsgrabungen durchgeführt. Die Mitglieder des letztgenannten Teams schlugen eine Datierung der Grüfte in die Periode des Hellenismus vor. Die Ergebnisse dieser Ausgrabungen wurden jedoch nie publiziert.
Seit 2018 wird der Bekçi Kulubesi im Rahmen eines eigenständigen Kooperationsprojekts zwischen der Universität Bern und der LMU München unter der Leitung von Alexander E. Sollee archäologisch erforscht. Eine geophysikalische Prospektion durch die Firma GGH Solutions in Geosciences im Jahr 2018, welche durch die finanzielle Unterstützung der Münchner Universitätsgesellschaft und der Graduate School Distant Worlds realisiert werden konnte, lieferte Hinweise darauf, dass zumindest der südliche Hang der nördlichen Kuppe des Bekçi Kulubesi in der Antike bebaut gewesen war (Abb. 2). Parallel zu diesen Arbeiten wurde ein Keramiksurvey durchgeführt. Die dabei dokumentierten Scherben datierten überwiegend in die Eisenzeit. Es ergaben sich aber auch Hinweise auf Siedlungsaktivitäten während der Spätbronzezeit und der Periode des Hellenismus.
Um genauere Informationen über die Entwicklung des Bekçi Kulubesi als Teil der antiken Siedlung am Sirkeli Höyük zu sammeln, wurden 2019 Ausgrabungen am Südhang der nördlichen Kuppe durchgeführt. Diese Arbeiten konnten dank eines Initiator Grant der Universität Bern und der Unterstützung durch die Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung durchgeführt werden. Die Ausgrabungen konzentrierten sich zunächst auf die Frage, wann die Nekropole in diesem Bereich entstand. Aufgrund der Ergebnisse des Surveys 2018 erschien es nämlich möglich, dass hier der erste intramurale späthethitische Friedhof erforscht werden könnte. Dementsprechend wurde 2019 ein Komplex von drei Felsgrüften freigelegt ( Abb. 3). Wenngleich in dieser Kampagne noch keine eindeutigen Beweise gesammelt werden konnten, konnte nichtsdestoweniger festgestellt werden, dass die Felsgrüfte typologisch Gemeinsamkeiten mit spätbronzezeitlichen Gräbern auf Zypern aufweisen. Womöglich wurden sie also über einen sehr langen Zeitraum genutzt. Wichtig war zudem, dass die Nutzung der Felskammern für Mehrfachbestattungen dank der Unterstützung von Amelie Alterauge (Abteilung für Anthropologie, IRM Bern) bestätigt wurde.
Die Freilegung des Umfeldes der Felsgrüfte erbrachte weitergehend die Erkenntnis, dass dieser Bereich einst als Steinbruch genutzt worden war. Die Negative der hier herausgebrochenen Steine (vgl. Abb. 3 ) stimmen mit den Dimensionen der Blöcke überein, die zur Konstruktion der in Sektor F teilweise freigelegten Stadtmauer Sirkeli Höyüks verwendet worden waren.
Im Verlauf der Kampagne wurde darüber hinaus klar, dass es auf den Hängen des Bekçi Kulubesi in der Antike auch größere Gebäude gegeben hatte. Ca. 65 m südwestlich von den Felsgrüften konnten mehrere Räume von Gebäude O1 freigelegt werden (Abb. 4 ). Für die Mauern dieses Bauwerks, dessen bisher bekannte Nutzungsphasen in die Eisenzeit datiert werden können, wurde der Fels großflächig terrassiert. Zudem wurden einige Räume in den Felsen geschnitten – eine für diesen Zeitraum in Kilikien bisher nicht belegte Bauweise.
Zusätzlich ergaben die Forschungen 2019 Hinweise darauf, dass der Bekçi Kulubesi auch eine bedeutende Rolle für die Wasserversorgung des Sirkeli Höyük in der Antike spielte. In dem von einer Quelle gespeisten Wadi südlich von Gebäude O1 ließ sich eine Kanalisierung des Wasserlaufs feststellen (Abb. 5).
Es zeichnet sich also immer ab, dass der Bekçi Kulubesi eine wichtige Stellung innerhalb der Siedlung einnahm. Durch eine Fortsetzung der archäologischen Arbeiten hier wird sich zeigen, wie dieser landschaftlich sehr prominente und wirkmächtige Teil der Stadt von den damaligen Bewohnern konzipiert, genutzt wurde und sich mit der Zeit veränderte. Neben der weiteren Erkundung des Gräberfeldes wird dabei die Beantwortung der Frage wichtig sein, ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Erschließung des Bekçi Kulubesi und der strukturell auffällig ähnlichen Oberstadt der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša gab.